Fakts


Pik Korschenewskaja, 1989

Höhe


7.105 m

Lage


Tadschikistan

Gebirge


Pamir

Geographische Lage


39°3'20" N, 72°1'26" O


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Reisebericht

Tadschikistan, Pik Korschenewskaja, 1989

Wir waren jung und brauchten den Berg...
Während es in der DDR 1989 politisch immer mehr zu brodeln anfing, strebten wir nicht gen Westen sondern in Richtung Osten.
Nach einem Jahr Vorbereitung war es soweit.
Das Volkspolizeikreisamt hatte in Ermangelung von geographischem Schulwissen eingesehen, das der Weg nach Rumänien nur über die Sowjetunion und das Schwarze Meer führen kann. Wir bekamen dadurch ein 3-Tages-Transitvisum für die SU und somit die offizelle Einreisemöglichkeit ins Land Lenins.
Wir, das waren Wigbert und Gero aus Eisenach sowie Alpha und ich aus Dessau.
Aufgrund der bescheidenen sozialökonomischen Lage der DDR im Bereich Bergsportausrüstung verging das Jahr vor der Abreise wie im Flug. Alpha ließ von der Reparaturabteilung des  VEB Traktorenwerk Schönebeck Eishämmer schmieden und montierte sie auf Metallgriffe von Zimmermannshämmern. Wigbert nähte die Rucksäcke und besorgte Kletterseile aus ganz windigen Quellen. Nachdem ich Stoff und Daunen besorgt hatte, machte ich mich an das Nähen von Schlafsäcken. Alpha`s Schlafsack wurde übrigens in der Nacht zum Abreisetag fertig.
Gero tischlerte für Westgeld und besorgte Pickel und Steigeisen.
Eine Freundin von mir gefriertrocknete unser vorgekochtes Essen in der einzig möglichen Maschine der Region im VEB Serumwerk Dessau.
In der Nacht vor der Abreise nach Moskau optimierten wir unser Gepäck und verpackten unzählige Müslitagesrationen. Da Wigbert`s Rucksack mit reichlich 140ltr zu groß geraten war, schnitt er einfach oben einen Streifen  ab und nähte ihn um. 
Meine Deckelklappe ging nicht zu und da der Zug quasi schon  im Bahnhof dampfte, kappte ich die Jalousiebänder an meinem Fenster und nähte sie am bereits gepackten Rucksack als Verlängerung an. Dies hatte den Vorteil das eventuelle Einbrecher in den nächsten Wochen nicht an die Fenster herankommen konnten, da sich die Jalousien nicht mehr hochziehen ließen.
Noch Jahre später berichtete meine Mutter auf diversen Familenfeiern von dem Schock der Unordnung als sie einige Tage nach unserer Abreise meine Blumen gießen wollte.

Per Zug ging es dann nach Moskau. Hier bestiegen wir ein Flugzeug nach Duschambe. Man konnte übrigens sowjetischen Inlandflüge in der DDR kaufen, egal ob man ein Visum hatte oder nicht. In Duschambe stiegen wir dann in eine kleine 12sitzer Turbopropmaschine und sie brachte uns nach Tschirgatal am Fuße des Pamirs. Noch waren wir zeitlich gesehen legal in der SU, wenngleich aber einige tausend Kilometer fernab der offiziellen Route.
Magdeburger Bergsteiger in der Gruppe um Jürgen Bösecke hatten schon 10 Jahre zuvor die illegale Anmarschroute zum Pik Kommunismus und Pik Korshenewskaja ausgekundschaftet. Mit einer Blaupause ihres alten Planes marschierten wir nun los. Da wir nicht auf Unterstützung von Fremden hoffen konnten, hatten wir die komplette Ausrüstung und das Essen für reichlich 40 Tage dabei.
Alles in allem schleppten wir zwischen 52-54 kg mit uns durch die Berge.
Am dritten Tag stand die Querung des Pamirflusses Muksu auf dem Programm. Eigentlich sollte ein Stahlseil über den Fluß gespannt sein, doch die russischen Behörden hatten es gekappt um illegalen Bergsteigern den Weitermarsch zu verwehren.
Nun standen wir vor dem vierzig Meter breiten reißenden Fluß und an Durchschwimmen war nicht zu denken. An Umdrehen natürlich auch nicht !
Alpha hatte dann die rettende Idee, wir banden eine 7mm Reepschnur an den Eishammer und schleuderten ihn über den Fluß. Nach zwei Tagen hatten wir dann beide Eishämmer so geworfen, das sie sich am anderen und gut 7m tiefer gelagerten Ufer zwischen Geröllblöcken verkeilt hatten. Wigbert zog das richtige Los und „durfte“ als erster Rüberhangeln. Am anderen Ufer schlug er zwei Felshaken ein und befestigte das Kletterseil professionell.
Nun war die Flußüberquerung eine reine Fleißsache. Da wir ja nur ein Seil dabei hatten, zogen wir es abschließend ab, an den Rückweg dachten wir hier noch nicht.
Insgesamt liefen wir 12 Tage bis zur Staubwiese am Fuße des Korshenewskaja. Während dieser Zeit trafen wir lediglich zwei weitere Magdeburger Bergsteiger, welche ebenso wie wir auf illegalen Pfaden unterwegs waren.
Unser langer Anmarsch über diverse hohe Pässe hatten uns perfekt akklimatisiert und das schleppen der extrem schweren Rucksäcke hatte uns bestens trainiert.
Nun ging es an die Besteigung unseres ersten Siebentausenders.
Im Vorfeld hatten wir nahezu alle möglichen Gebirge in Rumänien, Bulgarien und der Tschechei im Winter überschritten, doch höher als knapp dreitausend Meter ging es nie, weil es einfach keine so hohen Berge gab.
Nach einem Ruhetag errichteten wir ein Depot am Lager 1( 4800 m) und stiegen wieder ab. Eigentlich wollten wir weiter aufsteigen, aber Wigbert hatte am Abend zuvor zuviel eingetauschtes russisches Speiseöl an der Suppe verarbeitet. Die daraufhin einsetzenden Darmentleerungen machten den weiteren Aufstieg aber unmöglich. Nach zwei weiteren Tagen hatte sich die Darmtätigkeit wieder normalisiert und alles verlief planmäßig. Das Wetter war perfekt und wir stiegen über Lager 1 auf zu Lager 2. Hier auf 6100m schliefen wir das letzte mal, ehe es über einen wunderschönen Grat zum 7105m hohen Gipfel ging.
Kurz vor dem höchsten Punkt zogen leider Wolken auf und die Fernsicht war sehr getrübt.
Da Alpha Höhenprobleme bekam, nahmen Gero und Wigbert ihn auf dem Rückweg ans kurze Seil und ich stieg schnell ab um Wasser und Tee zu bereiten. Meine selbst hergestellte und eigentlich geniale Kombination einer Lötlampe und  eines Juwel - Benzinkochers versagte. Er wollte ob des schlechten russischen Benzins nicht brennen. Dadurch das ich nicht in der Lage war den Kocher anzuzünden, krochen wir durstig in den Schlafsack und mit Kopfschmerzen und rasenden Durst stiegen wir am nächsten Morgen bis Lager 1 ab, wo uns russische Bergsteiger mit Tee und Wasser aushalfen.
Einen Ruhetag nach unserer Bergbesteigung besuchten wir das offizielle Basislager zwischen dem Pik Kommunismus und dem Korshenewskaja. Es kamen natürlich sofort Fragen über unsere Papiere und dem Anmarschweg auf. Wir wollten Ihnen erklären wir seien nur zum Wandern hier, doch Oleg, einer der hiesigen Bergführer hatte uns einige Tage zuvor am Gipfel gesehen.   Keiner konnte sich dann erklären wie wir über den Muksu gekommen sind, da Oleg und Konsorten das Seil gekappte hatten. Alpha borgte sich einen Eishammer und ein Seil, verknotete es und beim ersten Wurf verkeilte sich der Eishammer ca, 30m entfernt lehrbuchmäßig zwischen den einzigen zwei Felsbrocken. Heutzutage würde ich sagen: „echt cool man...“. Das Raunen war groß und das Abendbrot sowie das  Essen für die nächsten Tage gesichert. Anschließend beim Wodka schenkte man uns eine Karte für den Rückweg mit eingezeichneten Schleichwegen, welche den Rückmarsch auf knapp 8 Tage verkürzten.
Der Rückweg verlief eigentlich problemlos, bis Alpha am vorletzten Tag einen Stein los trat welcher mich in den Muksu schleuderte. Ich fiel in ein ruhiges Kehrwasser und außer einer gut 12cm langen Platzwunde an der Wade passierte Gott sei Dank nichts.
Zurück in Duschambe hangen wir erst einmal einige Tage in den Tschaichanas, den örtlichen Teehäusern, ab, aßen viel Obst und holten uns, bis auf meine Wenigkeit, alle eine handfeste Gelbsucht. Da wir dies aber erst Zuhause merkten, besuchten wir per Überlandbus noch Samarkand und Chiwa.
Nach 56 Tagen standen wir in Moskau wieder braun gebrannt und glücklich am Flughafen und bekamen den lang erwarteten Ärger bei der Einreise in die DDR. Den Russen war es mehr oder weniger egal, da wir ja ihr Land verließen. Auf unser Argument den DDR-Grenzern gegenüber: „wir kommen heim und alle anderen wollen z.Z. über Ungarn raus“, ließ man uns dann aber doch im Endeffekt unbehelligt ziehen.