Fakts


Mount McKinley

Höhe


6.195 m

Lage


Alaska, USA

Gebirge


Alaskakette

Geographische Lage


63°5'10" N, 151 °1'46" W

Erstbesteigung


1913 durch Hudson Stuck

Normalweg


Hochtour vergletschert
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Reisebericht

Alaska, Denali, Mount McKinley, 1997

In Talkeetna/Alaska regnete es und das Bunkhouse von Doug Geetings Fluggeschäft war mit wartenden Denaliaspiranten überfüllt. Doug selbst lief mit mürrischem Gesicht zwischen den stehenden Cessna hindurch und versprach nun schon zum `zigsten Male Wetterbesserung für die nächsten Tage. Über das Gesicht von Jesse, der guten Seele von Doug`s Büro, lief ein strahlendes Lächeln als wir zu sechst triefend naß in Ihr Büro stapften. Ich hatte 1991 für einige Zeit in Ihrem ehemaligen Guesthouse in Anchorage für Kost und Logis gearbeitet, und sie sagte nur : „ Jungs Ihr müßt im Hangar unter den Flugzeugen schlafen, stört bitte den Mechaniker nicht bei den Reparaturen und heute Abend sehen wir uns im Pub.“

Wir richteten uns im Anschluß im Hangar unter der riesigen DDR-Fahne, sie zierte einst das städtische Kulturhaus von Magdeburg und wir hatten sie 1991 als Gastgeschenk für Doug`s Sammlung mitgebracht, für die nächsten Tage häuslich ein. Abends im Pub trafen wir dann Paul und seine Freunde aus Holland. Ich hatte Paul im Dezember 1990 am Aconcagacua/Argentinien und gleich darauf im Mai 1991 hier in Talkeetna getroffen. Er kam gerade von der Nordseite des Denali zurück. Genau wie 1991, hatte er auch in diesem Jahr, die sogenannte MacGonnagal-Traverse (MGT), das heißt die komplette Überschreitung des Denali von Norden über den Wonderlake, den Muldrow Glacier und die Carstensridge rüber nach Westen zum Kahiltnaglacier, dem Startpunkt des Normalweges ( West Buttress), versucht. Der letzte Winter war zwar lang und extrem kalt , aber auch sehr schneearm gewesen und somit lag Anfang Mai viel zuwenig Schnee auf den knapp 35 km zwischen dem Wonderlake und dem MacGonagall-Paß am Fuße des Denali.

Nach einigen Glück losen Versuchen, beschlossen die Holländer nun den Berg in Ihren letzten verbliebenen Tagen über den Normalweg zu besteigen. Nach einigen Bieren bildete sich bei uns die Meinung heraus, wir versuchen es trotzdem. Am nächsten Tag wurden die Rucksäcke umgepackt., Der Inhalt des Sackes, welcher ursprünglich auf den Schlitten sollte, mußte nun noch mit in den Rucksack.
Somit stieg das zu tragende Gepäck auf gut 54 kg pro Kopf. Dieses immense Gewicht setzte sich aus der nötigen Ausrüstung, der Trockennahrung für knapp einen Monat und dem Brennstoff zum Kochen und Schneeschmelzen zusammen. Nach einigen Tagen voller Langeweile und dem obligatorischen Briefing in der Rangerstation, flog Doug unsere Gruppe in zwei Schüben nach Kantishna, einem Drei-Häuser-Ort direkt an der Grenze des Denali- National- Parks. Das Wetter riß mehr oder weniger auf und der Denali, unser Traumberg seit langen Jahren, ließ sich gelegentlich zwischen den Wolken erspähen. Als der Denali das erste Mal komplett zu sehen war, wurden meine Mitreisenden ehrfürchtig still, denn vom Wonderlake schaut man auf eine beeindruckende fast 5500m hohe Wand aus Schnee, Fels und Eis.
Doch zuvor galt es die 35 km bis zum Berg zu Überwinden. Geplant war das Tragen eines ca. 25 kg schweren Rucksackes und das Ziehen eines ebenso schweren Schlittens. Für die Schneepassagen hatten wir uns aus Gewichtsgründen für Schneeschuhe statt Tourenski entschieden. Mit Tourenski ist man zwar viel schneller, aber sie sind halt auch dreimal so schwer und viel sperriger in den Tragepassagen. Am Abend des zweiten Tages spaltete sich unsere Gruppe.

Dietmar, Franz und Charly beschlossen umzukehren, die Schinderei mit den übervollen Rucksäcken wurde ihnen zuviel. Franz schleppte schon seit München eine leichte Bronchitis mit sich herum und bekam sie nicht so recht in den Griff, Charly konnte sich nach der Besteigung des Manaslu vor zwei Jahren für keinen Berg mehr so richtig motivieren und die heurige Strapazen standen für ihn in keinem Verhältnis zur Höhe des Berges. Dietmar, der Auslöser für die Spaltung, ... Für Mario, Mingo und mich hieß es nun komplett Umladen und Umdenken. Aus den drei autarken Zweier Teams mußten wir nun im tiefsten Schneetreiben ein funktionierendes Dreiergespann zusammenstellen. Gott sei Dank hatten wir uns aus Gründen der Sicherheit für drei Dreipersonenzelte entschieden. Unser Gepäck stieg nochmals um weitere 3kg pro Kopf und die Laune fiel im gleichen Verhältnis. Aber die Motivation unter dem Motto: „... nun erst recht“, trieb uns trotz Schneeregens weiter voran. Während wir uns nun zu dritt mit fast 60kg auf dem Rücken in Richtung Berg bewegten, überholten uns vier Bergsteiger in einiger Entfernung leichten Fußes, so das wir an uns und unserer Leistungsfähigkeit zu zweifeln begannen. Einige Tage später stellte es sich heraus, das es vier Amerikaner waren, welche im März ihr Essen und das Benzin per Hundeschlitten voraus gesandt hatten. Erst waren wir neidisch auf die cleveren Amis, aber als wir hörten, daß jedes Pfund voraus gesandter Ausrüstung gut einen Dollar kostet, relativierten sich unsere Gedanken.
Nach fünf Tagen Schinderei, dem Überqueren des Denaliflusses und Übersteigen des MacGonagall- Passes konnten wir auf dem Muldrowgletscher endlich unsere Schlitten nutzen. Bis zum Lower Icefall liefen wir bequem in den Spuren der Amerikaner, dann legten sie jedoch einen Ruhetag ein und wir mußten von nun an bis zum Denali-Paß spuren.
Mingo machte am Ende des Lower Icefall einen längeren Zwischenstopp in einer domartigen Gletscherspalte. Als wir ihn gut vierzig Minuten später per Flaschenzug herausgeholt hatten, half ihm nur seine „Spaltenzigarette“ wieder in die Spur.
Kurz ´vor dem Upper Icefall zwang uns ein Whiteout drei Tage in das Zelt. Während wir nach den drei Tagen des Wartens bergan stiegen, kam uns eine kommerzielle Gruppe von 12 Leuten aus Kanada entgegen . Sie waren aus Wettergründen und ob ihrer Gruppenlangsamkeit an der Carstenz-Ridge , der Schlüsselstelle der Tour, umgedreht. Da das Wetter stabil war, brauchten wir nur anderthalb Tage um unser gesamtes Gepäck nebst Schlitten in einer riesigen Schneehöhle unterhalb eines Felsriegels über der Carstens-Ridge zu deponieren.
Nach einer etwas heiklen Querung in einer eisschlaggefährdeten Flanke sahen wir schon den Denali-Paß. Bis hierhin hatten wir stets passable Wetterverhältnisse, doch dies sollte sich nun dramatisch ändern. Kurz vor dem Scheitel des Passes, erwischte uns fast schlagartig ein Sturm ungeahnter Heftigkeit. Uns blieb gerade noch Zeit das Zelt an einer etwas windgeschützten Stelle aufzubauen und das Fragment einer Windschutzmauer zu errichten. Der Denali wurde jetzt seinem Ruf als kältester Berg der Erde gerecht.
Die Windgeschwindigkeit stieg auf weit über 120 km/h und das Thermometer fiel von –20 °C auf –50°C. Den Rest der Nacht verbrachten wir im Daunenanzug liegend und mit den Schuhen an den Füßen. Das Zelt , ein Geodät der Fa. Tatonka, hielt tatsächlich bis zum frühen Morgen durch. Dann brach ein Gestänge, schlitzte dabei das Außenzelt auf und dies war das Ende der Nacht. Während zwei von uns die Reste des Zeltes zusammenhielten, packte der Dritte seine Sachen zusammen. Im Anschluß versuchten wir die Reste des Zeltes zu bergen.
Während dieser Aktion riß es Mingo die Daunenhandschuhe von den Händen und während er die Ersatzhandschuhe aus der Deckelklappe holte, zog er sich an alle Fingern, außer den Daumen, Erfrierungen dritten Grades zu. Wir versuchten nun die andere Seite des Tales zu erreichen, da der Wind sich etwas gedreht hatte. Für die 300m brauchten wir über vierzig Minuten. Der böige Orkan hob mich samt Schlitten und Rucksack ca. 2m hoch, das Seil zu Mario straffte sich, danach wurde ich vom Wind in der Luft gedreht und im Anschluß stürzte ich wieder zu Boden.
In den nächsten zwei bis drei Stunden gruben wir uns in einer Wächte eine Schneehöhle und in Ihr verbrachten wir die weiteren zwei Tage, bis der Sturm sich legte. Während ich mich am zweiten Tag um Mingo´s mittlerweile schwarzen Finger kümmerte, stieg Mario, bei immer noch schlechtem Wetter, zum 200 Höhenmeter über uns aufragenden Gipfel auf und nach seiner Rückkehr setzten wir unseren Abstieg in Richtung West Buttress fort. Vom Denali-Paß bis zum auf 17.200 Fuß liegenden Ärztecamp brauchten wir ca. 4h.
Mario war voraus geeilt um aus unseren Zeltresten eine funktionsfähige Behausung zu errichten. Mingo und ich gingen ruhiger hinterher. Vom Ende der Fixseile sah ich eine breite Schlittenspur direkt in Richtung Camp. In der Annahme, das Mario seinen Schlitten benutzt hatte, tat ich es ihm gleich. Auf halber Strecke jedoch endete die Spur plötzlich und es stellte sich heraus, das ein Nationalpark-Ranger mit dem Snowboard unterwegs war. Er zollte mir, ob meines ungewöhnlichen Stiles, Respekt, wies mich auf einige Spalten hin und innerhalb von 10-15min war der Rest der Strecke rodelnd zurückgelegt.
Während wir auf der Nordseite mehr oder weniger alleine waren, befanden sich alleine im Ärztecamp über achtzig Zelte der verschiedensten Nationen. Nach seiner Ankunft im Camp suchte Mingo sofort die Ärztestation auf und der anwesende Arzt ließ Mingo direkt am nächsten Morgen per Heliocopter nach Anchorage ins Krankenhaus ausfliegen. Der Sturm der letzten Tage hatte diverse schwere bis tödliche Unfälle verursacht und der Hubschrauber war bereits seit zwei Tagen im Dauereinsatz. Während Mingo ausgeflogen wurde, marschierten wir mit einem letzten Kraftaufwand in Richtung Kahiltnagletscher zum Flugfeld, von wo es zurück nach Talkeetna gehen sollte.
Lange Strecken rodelnd und immer hinter dem unermüdlichen Mario hinterher hetzend erreichte ich völlig fertig um 03.30h , es wird ja nie richtig dunkel im Mai, den Gletscher auf welchem sich das Flugfeld befindet. Gegen Mittag, das Wetter begann sich gerade wieder drastisch zu verschlechtern, kam dann unser Buschpilot Doug um die Ecken gepfiffen. Er trieb uns zum schnellen Einstieg an und kaum 10min nach der Landung waren wir schon wieder in der Luft. Sein schon sprichwörtliches Gespür für Schlechtwetter sollte ihm recht geben, zumal die Flieger dort nur nach Sicht fliegen. Wir waren für die nächsten vier Tage die letzten Bergsteiger, die vom Kahiltnagletscher in Richtung Talkeetna abflogen.
Da wir insgesamt 24 Tage am Berg waren, uns nur von Trockennahrung ernährt hatten und auf waschen in jeglicher Art verzichten mußten, ging es in Talkeetna sofort unter die Dusche und danach in den nächsten Pub zu Bier und dem obligatorischen 500gr. Steak. In den letzten Tagen in Alaska besuchten wir täglich Mingo im Krankenhaus von Anchorage. Aufgrund der extrem schweren Erfrierungen an seinen Fingern mußte Mingo noch längere Zeit im Krankenhaus von Anchorage verbleiben und Wochen später wurden ihm dann in Deutschland an allen Fingern, außer den Daumen, die ersten bzw. zweiten Glieder amputiert.