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Transasia

Mountainbiketour von
Islamabad/Pakistan nach
NewDelhi/Indien über den
Karakorum, den Himalaya
sowie die Durchquerung
der Takla-Makan-Wüste
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Reisebericht

Om mani padme hum

Eine Radtour durch Asien von Holger Kloß

„Inshalla, wir landen in zehn Minuten“, tönte es aus dem Lautsprecher und die Mahnung zum anschnallen riß mich aus meinen Träumen. In den letzten Stunden war die Anspannung der letzten Wochen, bedingt durch das Organisieren unseres Wunschtraumes, der Mountainbiketour von Islamabad/Pakistan nach NewDelhi/Indien über den Karakorum, den Himalaya sowie die Durchquerung der Takla-Makan-Wüste, von mir abgefallen.

Eigentlich hatten wir zu viert starten wollen, aber etwa sechs Wochen vor der Abreise hatten Jochen und Christin aus persönlichen Gründen abgesagt. Im nahezu gleichen Augenblick erreichte uns ein Brief eines seit zwei Jahren in Asien per Rad reisenden Freundes, welcher uns für unsere geplante Einreise von Nepal nach Tibet per Rad wenig Hoffnung machte, da die Chinesen, welche ja im okkupierten Tibet das sagen haben, dem individuellen Reisen sehr ablehnend gegenüber stehen. Ergo organisierten wir kurzerhand alles um, buchten die Flüge vom geplanten Anfangspunkt auf den Zielpunkt und hatten somit noch weniger Zeit für das eigentlich nötige Training.
Unsere ersten Tage in Islamabad/Rawalpindi vergingen wie im Fluge. Die rumänische Fluggesellschaft „Tarom“ hatte es trotz ihres schlechten Rufes geschafft, unsere Räder heil nach Pakistan zu transportieren und somit blieben uns erste und heimlich gefürchtete Reparaturen erspart und reichlich Zeit zum rumstöbern im riesigen Basar von Rawalpindi.
Am dritten Tag unserer ersten Etappe von Islamabad entlang des Karakorum-Highways erwischte uns die obligatorische pakistanische „Darmschwäche“ und fesselte uns dann auch gleich drei Tage an ein recht angenehmes Doppelzimmer mit Dusche, wobei wir wohl ein Doppeltoilettenzimmer mit Bett besser genutzt hätten.
Geradeso als hätten wir nun den Göttern genug Tribut gezollt, blieben wir dann aber auf unserer weiteren Reise von sämtlichen „Krankheiten und Gebrechen“ verschont.
Die nächsten zehn Tage bis zum 4730m hohen Khunjerap-Paß, der Scheide zwischen Pakistan und China, verliefen nahezu planmäßig.
Wir rollten uns so langsam ein und die Mühe der ersten Tage verwandelten sich in Routine und Freude am Fahren.


Ruhe sanft...

Der am letzten Checkposten stationierte pakistanische Grenzer erklärte mir, er habe seit Tagen Kopfschmerzen, auch leide er unter ständiger Müdigkeit und ob ich ihm denn nicht mit
einer Schmerztablette aushelfen könne. Da Ruhe und Schlaf meiner Ansicht nach das beste Heilmittel in dieser Höhe ist, falls man nicht absteigen kann, gab ich ihm zwei leichte Schlaftabletten. In seinem unerschütterlichen Glauben an die westliche Medizinindustrie schluckte er sie sofort, ohne auf meine Einnahmeinstruktionen zu warten. An diesem Tag gab es dann wohl keine Grenzkontrollen mehr seitens der pakistanischen Behörden.
 
Die geplante lange Abfahrt ins 1300m hoch gelegene und etwa 400km entfernte Kashgar, gestaltete sich dann ob des permanenten Gegenwindes nicht zu dem seit Tagen erwarteten Highlight des ersten Abschnittes.
Kashgar`s Sonntagsmarkt war der Ruf vorausgeeilt, der Größte Markt Asiens zu sein und seinen Ruf hat er auch zurecht, wobei in Kashgar wohl jeder Tag Sonntag zu sein scheint.
Schätzungsweise achtzig- bis einhunderttausend Menschen treffen sich hier auf dem riesigen Marktgelände und bieten vom alten, rostigen Hufnagel bis zum streng unter Naturschutz stehenden Schneeleopardenfell alles an.
Nach einigen Tagen des Schwelgens in den kulinarischen Genüssen der abwechslungsreichen
chinesischen und uigurischen Küche, nahmen wir unsere zweite Etappe, den Abschnitt durch die Takla-Makan-Wüste in Angriff.
Nach etwa 700km hörte die relativ gute Asphaltstraße auf und es begann die von uns insgeheim gefürchtete Wellblechpiste, welche aus abertausenden kleinen Querrillen besteht.
Der uns seit Tagen vorantreibende Rückenwind verstärkt sich zum hier allseits verhaßten Sandsturm. Die Uiguren nennen ihn Buran und wir lernten sehr bald ihren Respekt vor ihm zu verstehen.
Am zweiten Tag des Sandsturmes hatten wir nach dreieinhalb Stunden knapp 16 km geschafft und warteten sehnsüchtig auf ein vorbeikommendes Auto, um dem Buran zu entfliehen. Der einzige Bus der Woche in die richtige Richtung kam genau an diesem Mittwoch und er nahm uns ohne Probleme nebst den Rädern mit. Nach vierstündigen Geschiebe und Gerüttele erreichten wir das achtzig Kilometer entfernte Minfeng. Hier angekommen, sollten unsere chinesischen Sprachkenntnisse gleich gewaltige Fortschritte machen.


Gong An Yu heißt Fremdenpolizei

Die ersten neuen Worte welche wir lernten, waren Gong An Yu, was in etwa soviel heißt wir Fremdenpolizei. Dem Sturm waren wir entronnen, doch das neue Übel war fast noch ärger.
Da die Leute von der Gong An Yu so gut Englisch sprechen, wie ein junger Pandabär stepptanzen kann, vergingen die nächsten vier Stunden wie im Fluge. Das Gebiet der südlichen Takla-Makan ist für Ausländer nur mit einem speziellen Travel-Permit zu bereisen und wir hatten das angeblich so dringend nötige Papier natürlich nicht.
So waren sie ganz fest der Meinung, daß unser weiterer Weg nur in rückwärtiger Richtung verlaufen konnte.
Wider aller Erwartung fällten die Genossen der Gong An Yu dann ein salomonisches Urteil. Man wies uns an, per Bus zurückzufahren, falls wir jedoch weiter müßten, würden wir auf eigene Gefahr reisen und müßten uns in der nächsten Stadt wieder bei der örtlichen Gong An Yu melden. Da der Sandsturm noch tobte, nahmen wir den Bus und das Spiel wiederholte sich in zwei weiteren Städten, zumal wir stets von den Polizisten schon am Bus erwartet wurden.


14 Tage Gegenwind

Da wir uns leichtsinnigerweise in der Takla-Makan über das heiße Wetter beklagt hatten, erwartete uns nun 14 Tage Gegenwind, Hagel, täglicher Regen und wir sahen des öfteren den unzähligen in Richtung Lhasa vorbeirollenden LKW`s sehnsüchtig hinterher.
Wir verfluchten leise die Statistiker des Wetteramtes, welche uns für diese Jahreszeit relative Trockenheit vorhergesagt hatten. Aber vielleicht war es ja auch „relativ“ trocken...
Der Quinhai-Tibet-Highway ist ob seiner strategischen Bedeutung die wohl am meisten frequentierteste Straße Chinas, falls man das okkupierte Tibet überhaupt zu China zählen will.
Riesige Scharen von Arbeitern aus allen Gebieten Chinas wurden hierher zwangsversetzt.
Sie halten den höchsten Highway der Erde in Stand und Ihre oft aufmunternden Zurufe und Einladungen zum gesalzenen Buttertee entschädigten uns dann für das unerfreuliche Wetter.
Am fünften Tag unserer Abreise aus dem 2790m hochgelegenen Golmud erreichten wir zum ersten Mal per Rad die 5000m Grenze. Die Straße führte durch eine schier endlose Baustelle und kurz unter dem 5010m hohen und in keiner Karte verzeichneten Paß, hörte der Asphalt für vierzig Kilometer völlig auf und wir quälten uns durch die vom Dauerregen total aufgeweichte Lehmpiste.
Unsere Tagesleistung hatte sich hier in den Höhen von 4500 bis 5000m auf ein Tagesmaß von 80 km reduziert und am Ende des Tages waren wir froh, in unser Zelt kriechen zu können.
Fast jeden Abend tauchten nahezu aus dem Nichts tibetische Besucher bei uns auf. Wir versuchten dann jedesmal, uns mit Tee und anderen Kleinigkeiten für die uns entlang der Straße entgegengebrachten Freundlichkeiten zu revanchieren.


Unser „Höhepunkt“ 5231m

Am 5.August erreichten wir per Rad den höchsten Punkt unserer Reise, den 5231m hohen Paß Jia Tsuo La. Etwas später am Tag, wir saßen gerade beim typischen tibetischen Mittagsmahl, bestehend aus gesalzenem Buttertee und Tsampa, gerösteten Gerstenmehl, welches zu einem mehr oder weniger festen Brei vermischt wird und die Hauptmahlzeit der Tibeter bildet, mahnten uns die Yaks durch ihre, uns mittlerweile wohlbekannte Reaktion des sich gegen den Wind drehen, den GoreTex-Anzug anzuziehen, da jeden Augenblick mit Regen zu rechnen sei.


Fluch der guten Tat

Das Schließen meines Reißverschlusses faszinierte die zwei umstehenden alten Hirten ziemlich, zumal sie an meiner Jacke keinerlei Knöpfe finden konnten und die Jacke doch völlig geschlossen war. Bis sie hinter das Geheimnis meines Reißverschlusses gekommen waren, hatte der Regen uns erreicht und ich wurde, sehr zum Gelächter meines Radpartners Ingo, inwendig total naß, was nun wiederum die Tibeter nicht zu stören schien.
Nach sechzehn Tagen Schlechtwetter, ständigen Fahrens über 4500m Meereshöhe und der
Überfahrung von drei Pässen über 5000m rollten wir bei strahlendem Sonnenschein in das 3600m hochgelegene Lhasa ein.
Unser erster Weg führte uns, trotz unseres etwas mitgenommenen Aussehens, direkt vor den ehemaligen Hauptsitz des Dalai Lamas, des sich einhundert Meter über die Stadt erhebenden Potala-Palastes.
Die Tage in Lhasa waren gefüllt mit Besuchen der Klöster Sera und Tsurpu, dem Besuch des Potalas, langen Gesprächen mit tibetischen und europäischen Mönchen über das Thema Buddhismus, der Radpflege und dem schlichten Relaxen im Barkhor-Viertel.
Da wir mittlerweile reichlich zwei Monate seit unserem Start am 16.05. in Islamabad unterwegs waren, tat uns die Anwesenheit eines neuen Reisegefährten, eines österreichischen Globetrotters, vor allem in zwischenmenschlicher Beziehung, gut.
Franz hatten wir schon kurz in der Takla-Makan getroffen. Da er unsere Reisestrecke kannte,
kaufte er sich in Lhasa ein chinesisches Mountainbike der Marke „Black Diamond“ und wartete auf unsere Ankunft um mit uns die Etappe bis Kathmandu/Nepal zusammen zu fahren.
Während wir abends für das Essen und den obligatorischen Tee sorgten, bastelte Franz alltäglich an seinem China-MTB. Er hatte während der 1000km langen Strecke bis Kathmandu sämtliche Kugeln aller Lager, diverse Speichen und zwei Hinterachsen gewechselt...!
Die Straße von Lhasa über Gyantse und Shigatse nach Kathmandu trägt zwar den  hochtrabenden Namen Fiendship-Highway, doch in Realität verbergen sich unter diesem Namen 1000km Sand- und Schotterpiste unterschiedlichster Qualität.
Neben der großartigen Landschaft des Himalayas birgt die Strecke aber auch noch ein oder zwei, nicht zu verachtende Highlights. Im Abstand von ca. 150km befindet sich jeweils ein großes, nicht zu übersehendes, blau-weißes Zelt direkt an der Piste. Dieses Zelt gehört einer privaten nepalisch-tibetischen Kooperative und sie verwöhnen den vorbeikommenden Touristen mit solchen Köstlichkeiten wie Eierkuchen mit Honig, heißer Schokolade oder Yak-Steaks. Wir hatten von diesem kulinarischen Wunder im Lande des Buttertees schon in Lhasa gehört und wußten unsere Tagesetappen so einzurichten, daß wir jeweils am Abend solch ein Zelt erreichten und dadurch auch gleich noch in den Genuß eines königlichen Frühstücks kamen.
Bevor wir die fünftausend Höhenmeter hinab nach Nepal in Angriff nehmen konnten, erwartete uns eine letzte Fleißeinheit in Form des 5050m hohen Passes Lalung La im Sattel des Himalaya und in unmittelbarer Nähe zum Everest und Shisha Pangma gelegen. Uns erwartete leider schon der Monsun und seine Wolken verhinderten die angeblich phantastische Sicht auf diese zwei Achttausender.
Aber auch der Ausblick auf die umliegenden Siebentausender, wie zum Beispiel der von Chris Bonington erstbestiegene Melungtse, waren schon völlig beeindruckend.
Nach einer gut zweistündigen Rast auf unserem letzten 5000er Paß ging es bei Gegenwind und einsetzenden Dauerregen, welcher uns die nächsten drei Tage bis Kathmandu begleiten sollte, hinab bis auf eine Höhe von 210m, ehe es zum allerletzten Anstieg ins 1300m hoch gelegene Kathmandu-Valley ging.


Verschleißteile

Auf der Abfahrt vom Lalung La nach Nepal nutzten wir unsere bis dahin gut erhaltenen Bremsklötze soweit ab, das wir sie in Kathmandu austauschen mußten.
Neben fünf platten Reifen, einigen ausgetauschten Speichen und zwei gebrochenen Frontgepäckträgern waren dies nach 4997km die ersten Teile, die wir aus Verschleißgründen austauschen mußten.
Franz, der schon etliche Wochen in Kathmandu verbracht hatte, revanchierte sich für unsere Partnerschaft mit seiner Tätigkeit als Stadtführer.
Nach einigen Tagen Ruhe und Sightseeing trennten wir uns von Franz. Er verkaufte sein direkt importiertes MTB mit 50% Profit an unseren Pensionsbesitzer und reiste dann per Bus und Bahn zurück nach Österreich, jedoch nicht ohne uns das Versprechen abgenommen zu haben, im nächsten Jahr mit ihm den Lungau-Radmarathon in Österreich zu fahren.
Während unseres Aufenthalts in Kathmandu hatte es diverse Male extreme Regenfälle gegeben und im Kathmandu-Tal war es daraufhin zu den angeblich schwersten Überschwemmungen der letzten fünfzig Jahre gekommen.
So richtig wurden uns die Ausmaße der Schäden erst bewußt, als wir unseren letzten Abschnitt, die Strecke von Kathmandu nach NewDelhi/Indien begannen. Einige Kilometer hinter Kathmandu hatten die Wassermassen eine Brücke völlig weggerissen und während der LKW- und Busverkehr vollständig zum Erliegen gekommen war, kamen wir noch relativ gut voran.
Eingereiht in eine lange Schlange durch den Fluß watender Nepalesen trugen wir unsere Räder und anschließend das Gepäck durch den hüfttiefen Fluß.
In der stillen Gewißheit, dem Autoverkehr diesmal ein Schnippchen geschlagen zu haben, rollten wir an der reichlich sieben Kilometer langen Schlange wartender LKW’s vorbei. Jedoch, die Freude währte nicht allzulange, denn schon war das nächste Hindernis in Form einer verschütteten Straße erreicht und wir mußten zwei Stunden warten, bis die riesigen Caterpillars die Straße freigeschoben hatten.


Unwetter und Dürre

Das gleiche Spiel von Warten, durch den Fluß waten und Weiterradeln wiederholte sich noch einigemale, bis wir die nepalesich-indische Grenze erreicht hatten. Die letzten achthundert Kilometer bis New Delhi gestallteten sich dann zur reinen Fleißarbeit. Während Nepal in diesem Jahr im Monsun fast ertrank, blieb der in Indien von den Bauern sehnsüchtig erwartete Regen völlig aus und das Land und wir Radler stöhnten unter der Hitze. Schon sechs Uhr morgens herrschten Temperaturen von über 30 Grad Celsius und der Flüssigkeitsverbrauch während unserer 120 km-Etappen stieg ins Abnorme
Da wir uns vorgenommen hatten, unsere Tour offiziell bei Nirula’s, Delhi’s berühmtester Eisdiele zu beenden, waren wir gezwungen, eine Runde um den verkehrsreichsten Platz der Stadt zu drehen. Wer schon einmal in Delhi am Connaught-Place war und den chaotischen Verkehr direkt erleben konnte, wird verstehen, daß wir unsere Räder daraufhin schleunigst im Hotel versteckten und unsere letzten Tage in Indien zu Fuß oder per Rikscha genossen.
Um ehrlich zu sein, nach den 107 Tagen und 6184 geradelten Kilometern waren wir auch etwas abgeradelt und ganz froh, zu Fuß gehen zu dürfen.