Reisebericht
Chile, Ojos Del Salado, 2002
Eine Radtour zum höchsten aktiven Vulkan der Erde
Es ist bei jeder Tour das Gleiche, da kommt man nach langen Stunden im viel zu engen Flieger am Zielort an und fällt in den ersten Minuten des lang ersehnten Urlaubes schon der örtlichen Taximafia in die weit geöffneten Arme.
Doch dieses mal waren wir auf der Hut, schon auf Grund unseres reichlichen Reisegepäcks.
Bis die drei Räder, alle Radtaschen und die drei Hänger im Großraumtaxi verstaut waren, blieb genug Zeit alle Preise und Strecken zu klären. Als wir dem Taxifahrer dann den Namen unseres Hotels in Santiago de Chile nannten, stahl sich ein leises Lächeln über sein verschmitztes Gesicht, welches wir nicht so recht deuten konnten.
Vor zwei Jahren waren wir schon im Hotel Bora-Bora, auf Grund seiner zentralen Lage und der guten Preise, abgestiegen und es war dort sehr familiär zugegangen . Sein großer Innenhof schien uns als provisorische Fahrradmontagewerkstatt ideal geeignet.
Nach unserer Ankunft konnten wir dann das Lächeln des Fahrers deuten.
Man vermietete zwar noch immer Zimmer und es war alles auch recht „phantasievoll“ renoviert worden, doch nun wurde es eher Stundenweise vermietet. Da uns der häufige Mieterwechsel nicht störte und wir im ruhigen Seitenflügel einquartiert wurden, blieben wir unserem guten alten Hotel Bora-Bora, dieses Wort erlangte nun für uns eine völlig neue Bedeutung, treu.
Nach einem Tag der Akklimatisierung und der Montage der Räder, alles war übrigens kostenlos und heil von Iberia- Airlines nach Chile transportiert worden, ging es los in Richtung Norden.
Wir verließen die Stadt auf der vierspurigen Panamericana im dichtesten Stau und schlängelten uns gut 10km durch die chaotisch sortierte Blechlawine. Mit der Stadtgrenze
hörte der Stau schlagartig auf und auf dem breiten Randstreifen des perfekten Asphalts lief es für uns gut an. Doch kaum waren wir richtig warm geradelt, zwang uns der erste und einzige Platten der Tour schon wieder zum Halt.
Die nächsten 800 km ging es immer auf der PanAm an der Küste entlang.
Wir starteten am Morgen täglich gegen 9 Uhr, fuhren etwa 25-30 km und aßen dann in einer Posada, einer Art Truckerrestaurant an der Straße, ein chilenisches Frühstück mit viel Kaffee und Fleisch.
Gegen 14 Uhr gab es Mittag und nach den täglichen 1000 Höhenmetern war abends jedesmal wieder Zelten am Meer angesagt.
Am Scheitelpunkt des ersten echten 1000m-Passes , wir fuhren direkt vom Meer auf 1000m Höhe, stoppte uns eine Motorradstreife der Carabineros und sie veranstalteten eine Passkontrolle, wie der Name es so treffend sagt. Nachdem wir Ihre letzte Frage: „You like my Country ?“ mit einem einhelligen „Si,Si“ beantwortet hatten, bekamen wir unsere Reisepässe wieder und durften unbehelligt weiter fahren.
Knapp zwei Wochen nach unserer Ankunft in Santiago rollten wir dann in Copiapo am Fuße der Atacama- Wüste ein. Wir legten einen Ruhetag ein, aßen ein letztes Mal vor dem nächsten Abschnitt, die preiswerten riesigen Steaks und füllten uns mit Milch-, Joghurt- und Obstprodukten ab.
Die ersten Kilometer ab Copiapo führte uns noch eine asphalthaltige Straße in Richtung Osten zur chilenisch - argentinischen Grenze. In ihrer Nähe liegt der Ojos del Salado. Er ist mit 6893m der höchste tätige Vulkan der Erde, allerdings ruht er seit 47 Jahren, sowie der höchste Berg von Chile.
Wir wählten aus Gründen der Wasserversorgung die Südroute zum Paso de San Francisco, auch wenn sie straßentechnisch die deutlich schwierigere Route ist.
Anfang November findet man an Ihr noch größere Büßerschneefelder und einige Wasserquellen, so dass die Wasserversorgung spätestens nach zwei Tagen gewährleistet ist.
Da wir neben der normalen Radausrüstung auch unsere gesamte Bergausrüstung, wie Steigeisen, Teleskopstöcke, Kletterseil, Trockennahrung, Kunststoffbergstiefel etc., mit uns führten waren der YAK - Radanhänger der Fa. Bob und die wasserdichten VauDe- Radtaschen gut gefüllt. Das Zusatzgewicht betrug gut 40kg inklusive Wasser.
Täglich wechselten sich Schotterpisten mit Tiefsandpassagen ab, welche uns oft zum Schieben zwangen. Jedes Auto das vorbei fuhr, ab der Gabelung zur Südroute waren es jedoch nie mehr als drei Autos täglich, hielt, bot uns Wasser oder Hilfe jeglicher Art an.
Nach 100km Wüste und einer 12km langen Schiebestrecke hielt ein Pick Up neben uns und bot sich an wenigstens unsere Hänger mit ins 5185m hochgelegene Basislager zu nehmen. Wir überredeten Heike Ihren Hänger mitzugeben und trotz ihrer Skepsis, ob er denn am richtigen Tage am richtigen Ort sei, gab sie ihren Hänger nebst einer kleinen Aufstockung an Trockenessen und Kocherbenzin, dem Chef der Fa. „Atacama Expedition“ Copiapo mit.
Durch die Abgabe ihres „Bob“, wie die Hänger bei uns nur genannt wurden, war Heike wieder genauso schnell wie wir.
Die nächsten 150 km radelten und schoben wir dann langsam, mit Tagesetappen zwischen 30 und 50 km, bergauf bis auf eine Höhe von 5050m.
Gut 10 km vor unserem Ziel , dem Refugio Atacama auf 5185m, versperrten uns riesige Büßerschneefelder den Weiterweg. Die Piste war ob des vielen Schnees vom letzten Winter noch unbefahrbar und sämtliche Jeeps der anderen anwesenden Gipfelaspiranten wurden hier in der Mitte vom Nichts geparkt.
So froh wie wir über den vielen Restschnee als Wasserspender gewesen waren, jetzt verfluchten wir ihn.
Da am nächsten Tag unser fehlender „Bob“ , nebst zwei Schweizer Bergsteigern gebracht werden sollte, legten wir einen Ruhetag ein.
Doch auch nach drei Wartetagen war Heikes Ausrüstung noch nicht da.
Nun galt es entweder umzukehren oder zu improvisieren. Da wir nach den 1.100 geradelten Kilometern und den gut 13.000 per Rad absolvierten Höhenmetern nicht einfach umkehren wollten, erbettelten wir uns bei den anwesenden 10 tschechischen und 4 französischen Bergsteigern etwas Essen und einen weiteren Rucksack.
Es entstand ein reger Materialaustausch über uns.
Wir erhielten unter anderem auch chilenischen Rotwein von den Franzosen , welchen wir bei den Tschechen wiederum gegen Nudeln eintauschten. Dafür unterstützten wir die Tschechen mit Aspirin und die Franzosen mit unserem einzigen Leckerli , den Ricola-Kräuterbonbons aus Stephans geheimen Reserven.
Heike marschierte in ihren flachen Radschuhen mit untergeschraubten Cleats bis auf 5850m Höhe zum Lager zwei, dem Refugio Tejos.
Hier erbarmte sich die eine Französin und sponserte Heike für die letzten 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel ihre Ersatzbergschuhe. So waren wir nun „perfekt“ ausgerüstet und nahmen die letzten 1000 Höhenmeter in Angriff.
Der Aufstieg vom Lager 2 ist an sich eher unspektakulär. Man folgt einem ewig langen Geröllweg, quert in ca. 6600m Höhe ein gut 300m breites Firnfeld und quält sich dann weitere 100 bis 130 Höhenmeter durch mehr oder weniger losen Sand bis zum Kraterrand auf reichlich 6700m.
Bereits hier ist die Aussicht auf die über vierzig umliegenden Fünf- und Sechtausender der Region phantastisch.
Die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel quert man auf der Innenseite des ehemaligen Kraterrandes, er wurde vor Urzeiten bei einer Eruption gesprengt und verfällt nun durch Wind und Wetter immer mehr, bis zur argentinischen Seite. Durch diverses loses Geröll und brüchigen Fels steigt man in leichter Kletterei dann die letzten vierzig Meter bis zum höchsten Punkt.
Am Morgen nach unserem Gipfeltag stiegen wir ab zum Lager eins, gaben den Franzosen die geborgte Ausrüstung zurück, schnallten uns per Spannriemen Heikes Bergausrüstung noch zusätzlich an unsere Rucksäcke. Heike hängte sich die Schlafsäcke um und wir marschierten frohen Mutes, den inneren Blick schon auf die zu erwartenden Leckereien in Copiapo gerichtet, zurück ins Tal.
Da uns aufgrund der nicht eingeplanten Wartetage im Basecamp die Zeit davongelaufen war, trampten wir nebst unserer gesamten Ausrüstung zurück nach Copiapo. Schön das man in Chile unter Auto meist einen Pick Up versteht und die Ladeflächen fast immer leer sind.
Abends in Copiapo angekommen besuchten wir unser „neues“ Lieblingsrestaurant, das „Don Elias“. . Seine vorwiegend chilenische Kundschaft war von vornherein ein gutes Zeichen für uns und wir wurden nicht enttäuscht. Nach einem ausgiebigen Schlemmen waren wir wieder fit für die Zivilisation.
Am nächsten Morgen besuchten wir Herrn Rodriguez von „Atacama Expeditions“ und forderten unseren „Bob“ wieder ein. Da die Schweizer kurzerhand abgesagt hatten, hatte er aus „Kostengründen“ die Fahrt ins Basecamp des Ojos del Salado spontan abgesetzt.
Bei diesem Geschäftsgebaren können wir nur jeder man vor „Atacama Expeditions“ warnen.
Auch auf dem Heimflug transportierte Iberia unsere Räder wieder nach Deutschland und das kalte Wetter hier zu Hause bestärkte uns darin, bald wieder zu einer Bike & Climb-Tour nach Südamerika auszubüchsen.