Reisebericht
Andencross Chile/Argentinien 2008
Und keiner wollte mit…
Seit über einer Stunde stand unser Flugzeug nun in der Nähe der Madrider Startbahn und nichts rührte sich. Plötzlich ist Unruhe unter den Passagieren und ein spanisches SWAT-Team läuft mit Maschinenpistolen im Anschlag durch die Gänge. Ich war so überrascht, dass ich vergaß zu fotografieren. Das SWAT-Team griff sich in der vorletzten Reihe das Abbild von Che Guevara und verließ rumpelnd das Flugzeug. Kurz darauf kam ein Sprengstoffsuchhund, nochmals fast zwei Stunden ausharren und weiter ging der Flug.
Na das fing ja gut an.
In Santiago fehlte dann mein Fahrrad und der Anschlussflug war weg. Also wieder mal eine Nacht auf LAN-Chiles Kosten im Marriott-Hotel verbracht und am nächsten Tag in Copiapo waren mein Fahrrad und ich wieder vereint.
Copiapo ist eine typische Bergarbeiterstadt. Unter der Woche ein verschlafenes Nest und am Wochenende steppt der Bär. Dann kommen unzählige Bergarbeiter aus den umliegenden Gold- und Kupferminen in die Stadt.
Ich schlief auch in diesem Jahr im Hostal von Edy & Mary und es war fast wie bei „Muttern“. Nach einem Tag zog es mich schon wieder auf die Straße. Das Rad kurz gecheckt, Wasser und Lebensmittelvorräte verpackt und der Gegenwind war da. Na klar es war ja auch schon Nachmittag. Ich fuhr noch ca. 60 km immer leicht bergan auf feinstem Asphalt und machte Rast in wasserlosen Ruinen direkt an der Straße.
Am nächsten Morgen ging es in meinem alten Atacama-Stil weiter. Da bis gegen 9 Uhr der Wind bergabwärts weht, wird in Ruhe gefrühstückt und danach geht es mit Rückenwind bergauf.
Nach etwa 40km Sonne, Wind und Sand ließ sich meine gute alte Rohloff- Schaltung nicht mehr bewegen die Gänge umzulegen. Der interne Schaltzug war gerissen. Ich legte per Hand den kleinsten Gang ein und trudelte bergauf. An der Werkstatt einer Goldmine schwatzte ich mit dem Haus-und Hofmechaniker und er verlängerte den gerissenen Zug per Hartlötung und alle 14 Gänge waren wieder da. Die nächsten zwei Tage ging es fast nur bergauf. Auf dem letzten Pass vor der Grenzstation Maricunga kamen mir zwei sächsische Reiseradler entgegen. Wir tauschten Tricks und Tipps aus und ich konnte mich die 4 km bis zur Grenzstation rollen lassen. Es war nun schon nach 16 Uhr und da die chilenischen Grenzer von ihrem harten Job total erschöpft schienen, gab es heute keine Passkontrolle mehr. Ich richtete mich im Abfertigungssaal unter der Tischtennisplatte häuslich ein. Später wurde es richtig voll im Saal und ich sah, dass ich meinen Platz gut gewählt hatte, denn unter meinem grünen Dach hatte ich den ganzen Platz für mich allein. Mit einigen Tassentüten Espresso und diversen Keksen „kaufte“ ich mich bei Straßenarbeitern zum Abendbrot ein. Es gab, natürlich, Steaks und Rotwein. Eigentlich wollte ich bis zur Laguna Verde zwei Tage fahren, aber es lief genial gut. Ab km 80 beschloss ich dann durchzuziehen, da die heißen Quellen lockten. Genau zum Sonnenuntergang ließ ich mich ins warme Wasser gleiten. Nach gut 30 min wurde es draußen so kalt, dass ich mich fast nicht raus traute. Doch da das Zelt noch nicht aufgebaut war, musste es wohl sein.
Am nächsten Tag gab es reichlich Schlaf und gutes Essen.
Da ich nun schon so hoch war, wollte ich doch glatt vor der langen Abfahrt runter nach Argentinien noch eine Sechstausenderbesteigung „mitnehmen“. Ich versteckte also mein Rad einige Kilometer hinter dem chilenischen Kontrollposten und stieg vom Paso San Francisco gen Gipfel. Doch von wegen „mitnehmen“…
Der Wind wurde so stark, dass ich auf ca. 5500m schweren Herzens umdrehte. Durch meine perfekte Akklimatisierung wäre es eine knappe Tagestour auf den 6010m hohen Cerro San Francisco gewesen, doch das Wetter ließ es leider nicht zu. Unten an der fast 20km entfernten argentinischen Grenzstation traf ich dann zwei argentinische Bergsteigerkollegen , denen der Wind am benachbarten Incahuasi das Zelt zerfetzt hatte und die durch die tiefen Temperaturen mittelschwere Erfrierungen an den Händen davontrugen.
Ich rollte also schweren Herzens weiter ins Tal bis nach Fiambala.
Hier besuchte ich einige Freunde, lag mehrere Stunden in den heißen Quellen der Thermas von Fiambala und fuhr zwei Tage später per Bus ins 1200km entfernte Mendoza.